Mindestlohn: „Kommissions-Vorschlag ist wichtig, greift aber zu kurz“

28.10.2020 | PM, Sozialpolitik

Die EU-Kommission wird heute, 28. Oktober 2020, einen Rahmen für die Einführung eines einheitlichen europäischen Mindestlohnsystems vorstellen, an dem sich die Mitgliedstaaten orientieren sollen. Dazu erkläre ich als sozialpolitische Sprecherin der Europa-SPD:

„Armut trotz Arbeit soll es künftig in Europa nicht mehr geben. Die EU hat sich mit der Erklärung von Göteborg zum Recht auf faire Löhne und insbesondere zum Recht auf angemessene Mindestlöhne bekannt. Deshalb ist folgerichtig, dass die EU-Kommission jetzt das Versprechen angeht, das die Kommissionspräsidentin vor ihrer Wahl im Europäischen Parlament abgegeben hat – nämlich Rechtsetzung zu angemesseneren Mindestlöhnen vorzulegen.

Die Richtlinie enthält Vorschläge, die mittelfristig dazu beitragen können, die Tarifbindung zu stärken und so für bessere Einkommen zu sorgen. Sollten in einem Mitgliedsstaat weniger als 70 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse unter den Geltungsbereich von Tarifverträgen fallen, fordert die Kommission Aktionspläne, um Tarifverhandlungen zu fördern und die Tarifbindung zu stärken.

Bei dem Richtlinien-Vorschlag für gesetzliche Mindestlöhne ist die EU-Kommission heute eindeutig zu kurz gesprungen. Frau von der Leyen hat ihren Ankündigungen nicht die entsprechenden Taten folgen lassen. Anerkannte Zielmarke für armutsfeste Mindestlöhne ist die Untergrenze von 60 Prozent des jeweils nationalen Medianlohns, also des mittleren Einkommens. Die Kommission hat in ihrem begleitenden Text richtig anführt, dass diese Zielmarke bis zu 20 Millionen Menschen Mindestlöhne verschaffen würde, die keine Armutslöhne mehr sind. Dennoch legt sie diese Zielvorgabe aber nicht verbindlich im Richtlinienvorschlag fest. Vor dem Hintergrund, das bisher nur drei EU-Mitgliedsländer, Frankreich sowie Portugal – und nah dran ist Rumänien- diese Zielmarke erreichen, ist dies besonders enttäuschend.

Wir haben stets dafür gekämpft, dass Löhne in ganz Europa armutsfest sein müssen. Ohne klare, europaweite Messlatte wird es jedoch nicht die erhoffte Konvergenz und Angleichung der Löhne on Europa geben, die gerade für die Eurozone so wichtig wäre.

Das EP ist jetzt besonders gefordert, den Kommissions-Vorschlag nachhaltig zu verbessern und eine breite Allianz für faire Mindestlöhne zu schmieden. Schließlich kommt kein Kommissionsvorschlag aus den Verhandlungen zwischen EP und Rat so raus, wie er reingekommen ist.“

Quelle: https://www.spd-europa.de/nachrichten/kommissionsvorschlag-ist-wichtig-greift-aber-zu-kurz

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