Am 24. Juni wurde der sogenannte Matic-Bericht im EU-Parlament verabschiedet, in dem wir als EU-Abgeordnete die Kommission und die Mitgliedsstaaten dazu aufrufen, die sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmungsrechte der Frauen zu stärken sowie die Gesundheitsfürsorge für Frauen zu verbessern – sowohl innerhalb auch als außerhalb der EU. Dabei sollen auf etablierte Standards internationaler Organisationen wie der WHO, der UN und des Europarats zurückgegriffen werden. Warum ich hier noch einmal darauf eingehe?
Weil im Vorfeld extrem viel Druck auf uns Abgeordnete augeübt wurde mit dem Ziel, dass wir gegen diesen wichtigen Bericht stimmen. Eine Petition wurde gestartet und in unzähligen Schreibe an Abgeordnetenbüros wurde mit Desinformation Stimmung gegen den Bericht gemacht. Wir erhielten sogar Föten aus Plastik ans Büro geschickt. Abtreibungskritische Organisationen haben versucht, diesen Bericht im Vorfeld auf das Thema Abtreibungen zu reduzieren. Doch bei Frauengesundheit, was die reproduktive Gesundheit einschließt, wie sie in dem Bericht meines Parteikollegen Predrag Matic beschrieben und gefordert wird, geht es um viel mehr.
Was ist das Problem?
Während der Pandemie gab es nur eingeschränkt Zugang für Frauen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheitsversorgung: zu Verhütungsmitteln, zu Betreuung bei Schwangerschaftsabbrüchen, zur Begleitung bei Geburten durch Familienangehörige und zu Tests auf HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten. Unabhängig von der Pandemie gibt es in der Gesundheitsfürsorge bei Frauen Verbesserungsbedarf und EU-weit ganz unterschiedliche Standards. Ich spreche von unzureichender Sexualerziehung, die geschlechtliche Vielfalt außer Acht lässt, einen stark begrenzten Zugang zu Fruchtbarkeitsbehandlungen, geschlechtsbezogene Gewalt in der Gynäkologie, oft unter der Geburt sowie eine mangelnde Verfügbarkeit moderner Verhütungsmethoden oder sogar die Durchführung von Zwangssterilisationen.
Was fordern wir in diesem Bericht?
Ganz klar: Frauenrechte und ihre reproduktiven Gesundheitsrechte sind Menschenrechte und wir wollen sicherstellen, dass Frauen diese wahrnehmen können. Die Rechte auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung auch in der Gesundheitsfürsorge Leitlinien sind essentiell, denn sie sind Voraussetzung für Gleichberechtigung. Das bezieht marginalisierte Personen und Gruppen wie Geflüchtete, LGBTIQ-Personen oder Menschen mit Einschränkungen ein. Das mag abstrakt klingen, deshalb möchte ich hier einige Beispiele aufgreifen:
Wichtig ist uns Abgeordneten, die den Bericht unterstützen, eine evidenzbasierte, qualitativ hochwertige und erschwingliche Mutterschaftsfürsorge. Ein respektvoller Umgang mit Müttern, gewaltfrei in der Gynäkologie auch unter der Geburt.
Weiterhin wird ein diskriminierungsfreier Zugang zu reproduktiver Medizin wie Fruchtbarkeitsbehandlungen gefordert und zwar auch für Singles, gleichgeschlechtliche Paare und Trans*-Personen.
Eine sehr viel, umfassendere und vor allem faktenbasierte altersgemäße sexuelle Aufklärung im Einklang mit UN Normen ist uns wichtig. Diese soll Fehlinformationen vorbeugen und Vorurteile entkräften. Über das breite breiten Spektrum an moderner Verhütungsmethoden soll informiert und diese für alle Menschen leicht zugänglich gemacht werden. Gesundheitsdienste sollen dafür ausreichend finanziell ausgestattet werden.
Wir fordern ebenfalls die Erhebung von Daten zur Gleichstellung, um die aktuelle Situation analysieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können.
Ein medizinisch hochqualitativer und sicherer Zugang zu legaler Abtreibung
Wir fordern im Bericht ein Recht auf den Zugang zu legalen Abtreibungen, die unter hohen medizinischen Standards durchgeführt werden sollen. Niemand macht sich die Entscheidung zu einer Abtreibung leicht. Dieser Bericht ist mitnichten ein Freibrief für Abtreibungen. Ich finde jedoch, dass kein Staat in die Persönlichkeitsrechte einer Frau eingreifen und ihr Entscheidungsmöglichkeiten bezüglich der Austragung einer Schwangerschaft nehmen darf. In den meisten EU-Ländern ist eine Abtreibung möglich. Dennoch können Ärzt*innen diesen Eingriff aus Gewissensgründen verweigern, was leider strukturell dazu missbraucht wird, Frauen den Zugang zu diesem Eingriff großflächig zu verweigern. Weltweit findet die Hälfte der Abtreibungen jenseits von guter medizinischer Versorgung statt und resultiert in einer hohen Müttersterblichkeit.
In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? In einer, in der Frauen gezwungen sind, ihre eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen? Oder in einer Gesellschaft, die Zugang zu qualitativ guter Beratung und, wenn es sein muss, eine medizinischen Versorgung gewährleistet, mit der Schwangerschaftsabbrüche sicher und legal durchführt werden können?
Wir haben im EU-Parlament klare Standards und eine Verbesserung der gesundheitlichen und reproduktiven Gesundheit von Frauen gefordert. Jetzt ist es an den Mitgliedsstaaten und an der Kommission zu handeln, diese einzuführen bzw. umzusetzen und jede Einschränkung von Frauenrechten scharf zu kritisieren.