Auf der Sitzung der AG Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion mit Gaby Bischoff, MdEP am 17.01.2020 ist EU-Kommissar Nicolas Schmit zu Gast. Ziel seiner Amtszeit ist die Umsetzung der Europäischen Sozialen Rechte in den EU-Mitgliedsstaaten. Klimawandel und Digitalisierung verändere unsere Lebensweise und Industrie. Diese Transformationsprozesse müssen sozial begleitet werden. Die EU-Ratspräsidentschaft von Deutschland ab Juli 2020 biete Chancen Weichen für ein soziales Europa zu stellen.

Die 10 Teilnehmer*innen der AG, die EU-Abgeordnete und der EU-Kommissar sind sich einig: Ein soziales Europa im Kampf gegen den Klimawandel zu schaffen erfordert ein Umdenken in der Innovations-, Struktur- und Arbeitsmarktpolitik. Dafür benötigen wir eine europäische Strategie. „Es betrifft auch das geopolitische Feld. Die Welt ist voller finanzieller Mittel. Wir brauchen neue Wege, auch außergewöhnliche Wege, um die Finanzierung zur Mobilisierung zu gewährleisten.“

„Es gibt kein Thema, wo Sonntagsreden und tatsächliches Handeln soweit auseinander driften wie beim sozialen Europa“, wirft Bischoff ein. Als Mitglied im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) fordert sie die Abschaffung prekärer Verhältnisse und eine soziale Absicherung. Erreicht werde dies durch einen Mindestlohn in Höhe von 60% des Medianeinkommens des jeweiligen Mitgliedsstaates, einer angemessenen Grundsicherung und mehr Demokratie auf dem Arbeitsplatz. Bischoff verweist auf die Resolution des Europäischen Green Deal. Der Green Deal muss ein sozialer Green Deal sein.

Die SPD hat als Teil der Bundesregierung bundespolitisch die Sozialpolitik vorangebracht: Mit dem verabschiedeten Qualifizierungsgesetz und das Arbeit-für-Morgen-Gesetz werde nun die Weiterbildung und die soziale Absicherung bei Kurzarbeit und befristeten Arbeitsverhältnissen in Fokus gestellt.  Auch die EU-Sozialpolitik ist mit der Kinder- und Jugendgarantie, Arbeitsbedingungsrichtlinie und der Whistleblowing-Richtlinie auf dem richtigen Weg. Diese Maßnahme hat gesellschaftlichen Mehrwert für den Arbeitnehmerschutz. Jede Arbeit muss sozialen Schutz bieten. Die zentrale Frage bleibt: Wie verstärken wir die Mitbestimmung auf allen EU-Ebenen? Wie garantieren und erweitern wir soziale Absicherungen?

Ein soziales Europa verlangt starke Sozialpartner. Die Forderung einer EU-Rahmenrichtlinie eines Mindestlohns bzw.- Einkommens schließt die Forderung nach starken Sozialpartnerschaften nicht aus. Ganz im Gegenteil: Mindestlöhne und Tarifpolitik müssen gestärkt werden. Der Hinweis auf die befürwortete Doppelstruktur bezieht sich auf die unterschiedlichen Verhältnisse in den EU-Ländern. Die skandinavischen Länder ohne gesetzlichen Mindestlohn haben starken Sozialpartner. Sie befürchten mit der Einführung dieser neuen EU-Rahmenrichtlinie eine Schwächung ihrer Tarifpolitik. Andere EU-Länder wie Rumänien haben bereits einen gesetzlichen Mindestlohn, aber keine starken Sozialpartner. Ihr Mindestlohn ist daher nicht existenzsichernd. Auf der Konferenz der Zukunft für Europa von 2020 bis 2022 sollen daher alle Verbände der Sozialpartner eingebunden werden. Auf diese Weise lassen sich Ängste beseitigen und gemeinsame Absichten verwirklichen.

Auf der einen Seite brauchen wir die Digitalisierung für die soziale Einheit. So könnten wir mit Hilfe einer europäischen Datenbank eine europäische Sozialversicherungsnummer einführen. Missbräuche der sozialen Sicherungssysteme könnten besser aufgedeckt werden. Auf der anderen Seite benötigen wir erhöhte EU-Regeln für Datenschutz und Unterbindung von Diskriminierungen. Menschen mit chronischen Erkrankungen zum Beispiel bedürfen einen erweiterten Schutz, um gewisse Dienstleistungen wie Kredite, Versicherungsabschlüsse zu erhalten. Jeder Arbeitnehmer hat zudem das Recht zu sagen: „Jetzt bin ich mal nicht erreichbar.“ Schmit setzt sich daher für eine EU-Rahmenrichtlinie ein, in der dieses Recht formuliert wird. „Menschen bleiben Menschen, ansonsten müssen Roboter eingestellt werden“ schließt Schmit die Arbeitsrunde ab. 

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