Meta-Chef Mark Zuckerberg kündigte in einer Videobotschaft an, externe Faktchecker auf Plattformen wie Facebook und Instagram abzuschaffen und stattdessen ein nutzerbasiertes Meldungssystem namens „Community Notes“, ähnlich dem Ansatz auf Elon Musks Plattform X, einzuführen. Diese Entwicklung ist ein historischer Bruch internationaler Großunternehmen mit den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Grundordnung, der nicht ohne Konsequenzen bleiben darf.
Hier der Forderungsbrief in voller Länge:
Gefährliche Verquickung von Geschäftsinteressen mit der kommenden US-Regierung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin Von der Leyen,
Sehr geehrte Frau Präsidentin Metsola,
Sehr geehrter Herr Präsident Costa,
Der Kniefall von Meta-CEO Mark Zuckerberg und anderer US-Tech-CEOs vor dem designierten US-Präsidenten Donald Trump besorgt uns zutiefst. In seiner jüngsten Videobotschaft kündigte Zuckerberg nicht nur eine fatale Kehrtwende beim Umgang mit Hass, Hetze und Desinformation auf seinen Plattformen Facebook und Instagram an, sondern beschuldigte die EU darüber hinaus der „institutionalisierten Zensur“, gegen die er mit Hilfe der US-Regierung vorgehen will. Zuckerberg folgt damit den Fußstapfen Elon Musks und anderer US-Milliardäre, die ihre Geschäftsinteressen durch eine enge Partnerschaft mit der Trump-Präsidentschaft zu schützen suchen und sich demokratisch beschlossenen Gesetzen entziehen wollen, die ihnen ein Dorn im Auge sind. Diese Entwicklung ist ein historischer Bruch internationaler Großunternehmen mit den Prinzipien der Rechtstaatlichkeit und der demokratischen Grundordnung, der nicht ohne Konsequenzen bleiben darf.
Als direkte Reaktion auf die jüngsten Ankündigungen Mark Zuckerbergs fordern wir daher die folgenden Maßnahmen:
1. Einen raschen Abschluss der laufenden Untersuchungen unter dem Digital Services Act (DSA) gegen soziale Medienplattformen X und Tiktok, sowie die Prüfung und gegebenenfalls die Eröffnung von Verfahren gegen Metas Plattformen Facebook, Instagram und Threads mit besonderem Fokus auf die Ausgestaltung von Empfehlungsalgorithmen.
2. Eine Aufstockung des zuständigen Personals der Kommission für die Durchsetzung der Regeln und die Untersuchung von Verstößen, sowie die Überführung des zuständigen Direktorats aus dem politisch geführten Generaldirektorat CONNECT in eine eigene Verwaltungsstruktur, um die politische Unabhängigkeit der DSA-Durchsetzung zu stärken.
3. Die sofortige Vorladung von Mark Zuckerberg und Elon Musk in die zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments und ein Hausverbot für Meta-Lobbyist*innen in allen EU-Institutionen bis zur Klärung der haltlosen Zensurvorwürfe gegen die EU, mit Ausnahme notwendiger Konsultationen im Rahmen laufender Untersuchungen gegen den Konzern. Bei Nichtkooperation der Unternehmen muss als Ultima Ratio auch ein temporäres Verbot im Rahmen des DSA auf dem Tisch bleiben.
Die rasend schnelle Verquickung von Geschäftsinteressen mit der autoritären Agenda der kommenden Trump-Präsidentschaft muss für Europa aber ein Weckruf sein, der weit über die Debatte um die europäischen Regeln zu sozialen Medien im Digital Services Act hinausgeht. US-Unternehmen kontrollieren nicht nur fast alle relevanten sozialen Medien in Europa, sondern darüber hinaus einen signifikanten Anteil strategisch wichtiger Technologien, von Cloud-Infrastruktur und Softwareanwendungen bis zu Smartphones.
Nach Jahren fruchtloser Debatten um die strategische Autonomie Europas schlagen wir deshalb eine neue, entschiedene Initiative der Kommission vor. Europa braucht einen „Euro Stack Act“, mit dem Ziel, europäische Technologiekapazitäten zu stärken und unsere Abhängigkeit von nicht-europäischen Tech-Unternehmen zu reduzieren. Europa darf sich nicht länger der Gefahr aussetzen, durch technologische Abhängigkeiten erpressbar zu werden. In diesem Sinne fordern wir:
1. Eine klare und evidenzbasierte Definition strategischer Technologien & Bewertung globaler Abhängigkeiten, sowie eine Analyse möglicher Hindernisse für die Entwicklung europäischer Kapazitäten in diesen Bereichen.
2. Die Mobilisierung signifikanter europäischer Fördermittel, öffentlich wie privat, zur Stärkung europäischer Wertschöpfungsketten in diesen strategisch wichtigen Technologiesektoren.
3. Die gezielte Erleichterung rechtlicher Rahmenbedingungen für Unternehmen in diesen Sektoren nach dem Vorbild von RED, NZIA und dem Chips Act, u.a. in Bezug auf Planungsverfahren und der Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze.
Europa muss jetzt handeln. Sonst drohen die Geschäftsinteressen der neuen Klasse von US-Oligarchen wie Musk und Zuckerberg unsere Demokratie und die Rechtstaatlichkeit zu überwältigen. Wir sind überzeugt, dass in dieser historischen Herausforderung auch eine einzigartige Chance liegt, Europa gemeinsam resilienter, freier und geeinter zu machen, als es je war. Für diesen Wandel hin zu einem selbstbestimmten Europa stehen wir als Partner*innen zur Verfügung.
Unterzeichner:innen:
René Repasi, MEP
Tiemo Wölken, MEP
Birgit Sippel, MEP
Matthias Ecke, MEP
Maria Noichl, MEP
Gaby Bischoff, MEP
Udo Bullman, MEP
Vivien Costanzo, MEP
Jens Geier, MEP
Tobias Cremer, MEP
Jens Zimmermann, MdB, Sprecher Arbeitsgruppe Digitales
Der Forderungsbrief ist zuerst auf der Seite der Europa-SPD erschienen.