In dieser Woche kommt das EU-Parlament nach der Sommerpause erstmals wieder zu einer Plenarsitzung in Straßburg zusammen. Auf der Tagesordnung stehen folgende Themen:
Die Lage der Union – Ausweitung der Rechtspakte oder Agenda für Pro-Europäer:innen?
Hauptdebatte mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch, 10.9.2025, 9 bis 12.20 Uhr
Ursula von der Leyen muss sich entscheiden: Wie macht die Kommissionspräsidentin nach der Demütigung durch Donald Trump weiter? Spätestens in ihrer Rede zur Lage der Union in Straßburg sollte von der Leyen klarstellen, mit wem sie die enormen politischen Herausforderungen angehen möchte – gemeinsam mit überzeugten Pro-Europäer:innen oder unzuverlässigen Rechtsextremen? Zunehmend bildete ihre EVP um Manfred Weber vor dem Sommer Mehrheiten mit Antidemokraten.
Die Sozialdemokrat:innen unterstützen eine fortschrittliche Agenda für soziale und äußere Sicherheit. Öffentlich und hinter den Kulissen tobt bereits der Streit um Haushaltsprioritäten, Verteidigungsausgaben, Zölle, faire Digitalisierung oder die Zukunft der Klimapolitik – Entscheidungen, die Europa spalten oder zusammenschweißen können.
EU-US-Handelsdeal – unter diesen Bedingungen nicht zustimmungsfähig
Plenardebatte mit Rat und Kommission am Mittwoch, 10.9.2025, ab 13.30 Uhr.
Am 27. Juli 2025 besiegelten Donald Trump und Ursula von der Leyen in Turnberry per Handschlag einen „Deal“, der den Handelskonflikt beenden soll, jedoch aus Sicht der Europa-SPD klar zugunsten der USA ausfällt und viele Punkte offenlässt.
Erst Wochen später lag eine gemeinsame Erklärung vor; intensive Nachverhandlungen waren nötig. Kern: Einführung eines 15-Prozent-Basiszolls (MFN-Sätze über 15 Prozent gelten weiter). Auto- und Teilezölle sollen auf 15 Prozent sinken, was dennoch deutlich über dem früheren US-Zoll von 2,5 Prozent liegt. Unabhängig davon bleiben 50 Prozent Zölle auf Stahl, Aluminium und Kupfer bestehen und wurden auf zahlreiche Produkte ausgeweitet — mit erheblichen Folgen für europäische Branchen. Zudem ist die Rechtmäßigkeit der per Notstandbefugnis verhängten Zölle in den USA umstritten.
Die EU-Kommission sagt u. a. Nullzölle auf US-Industriegüter, auf Präferenzen für ausgewählte Agrar- und Fischereiprodukte, die Verlängerung des Hummer-Abkommens sowie umfangreiche Beschaffungen (Energie, KI-Chips, Verteidigung) und Investitionen. Gemeinsame Standards, Ursprungsregeln und Erleichterungen bei CBAM/CSDDD sind geplant; digitale EU-Regeln bleiben ein Druckpunkt. Kritiker sehen MFN-Prinzipien der WTO unterlaufen und die EU in einer schwachen Position ohne Stillstandsklausel.
Die Sozialdemokrat:innen im EU-Parlament können diesen von der Kommission vorgelegten Vorschlag so nicht unterstützen, sondern werden daran arbeiten, ihn im Sinne der europäischen Bürger:innen zu verbessern. Die Vereinbarungen benötigen eine Stillstandklausel ebenso wie eine klare Überarbeitungsklausel.
Sicherheitsgarantien für Ukraine – russische Aggression stoppen
Debatte mit EU-Außenbeauftragter Katja Kallas am Dienstag, 9.9.2025, 9 Uhr bis 11.50 Uhr.
Aktuell gibt es weder konkrete Vereinbarungen noch einen Waffenstillstand. Doch seit dem Treffen von Donald Trump mit Wladimir Putin in Alaska, dem Treffen mit den europäischen Staats- und Regierungschefs in Washington sowie dem Treffen der europäischen Verteidigungs- und Außenministerinnen und -minister in Kopenhagen wird kontinuierlich über Sicherheitsgarantien für die Ukraine gesprochen. Diskutiert werden unter anderem die Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte oder gar die Stationierung europäischer Friedenstruppen in der Ukraine. Entscheidend ist für die SPD-Europaabgeordneten jedoch, dass robuste und glaubwürdige Sicherheitsgarantien nicht von der Willkür und Unberechenbarkeit Donald Trumps abhängen dürfen. Dazu muss die EU eigenständiger auftreten, ihre militärischen Fähigkeiten stärken und damit in der Lage sein, selbst verlässliche Zusagen machen zu können, sobald ein Waffenstillstand absehbar ist.
Pauschalreisen – Urlauber:innen absichern
Richtlinie; Debatte am Mittwoch, 10.9.2025, 13.30 Uhr, Abstimmung am Donnerstag, 12 Uhr bis 14 Uhr.
Pauschalreisen bieten Reisenden ein Komplettpaket und sind in Deutschland weiterhin die beliebteste Urlaubsform. Anbieter wie Verbraucher:innen stehen jedoch vor Herausforderungen, wenn bei einem Teil des Pakets etwas schiefgeht. Die EU-Pauschalreiserichtlinie ist seit Jahren ein zentrales Instrument zum Schutz der Reisenden, soll aber in der aktuellen Revision auch der Tourismusbranche mehr Rechtssicherheit geben. Ziel ist es zum einen, Urlauber:innen besser abzusichern – etwa durch klarere Regeln zur Vorkasse, Gutscheinen, Stornierungen bei außergewöhnlichen Umständen und Beschwerdeverfahren. Zum anderen sollen die Veranstalter entlastet werden, indem eindeutige Definitionen und verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Nach der Abstimmung im Europäischen Parlament sollen die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten bereits Ende September beginnen.
Abfallregeln – weniger Lebensmittelmüll, klare Regeln für Textilien
Änderung einer Richtlinie; Abstimmung über Trilog-Einigung am Dienstag, 9.9.2025, 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr
Die EU will gezielt Lebensmittel- und Textilabfälle verringern, um Klima und Umwelt zu schützen und Ressourcen effizienter zu nutzen. Mit der Änderung der Abfallrahmenrichtlinie sollen Vorgaben für die gesamte Lebensmittelkette eingeführt werden, von der Produktion bis zu Haushalten und Gastronomie. Bis 2030 gelten erstmals verbindliche Reduktionsziele: mindestens 10 Prozent weniger Lebensmittelabfälle bei Verarbeitung und Herstellung sowie 30 Prozent weniger bei Handel, Gastronomie und in privaten Haushalten. Eine Überprüfung 2027 soll klären, ob zusätzliche Ziele, etwa bis 2035, notwendig werden. Auch der Einfluss des Tourismus auf Abfallmengen soll künftig berücksichtigt werden.
Im Textilbereich setzt die Reform auf erweiterte Herstellerverantwortung: Produzenten von Kleidung, Accessoires und Schuhen müssen künftig für die Sammlung und Entsorgung aufkommen. Dabei sind auch Kleinstunternehmen einbezogen, erhalten aber längere Übergangsfristen und vereinfachte Berichtspflichten. Die Einführung der Systeme ist spätestens 30 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie vorgesehen. Außerdem können Mitgliedstaaten beim Gebührenmodell Praktiken wie „Ultra-Fast Fashion“ stärker belasten.
Eine allgemeine Analyse bis Ende 2029 wird prüfen, ob zusätzliche Ziele für die Vermeidung, Wiederverwendung und das Recycling von Textilien sinnvoll sind und ob weitere Maßnahmen wie eine Pflicht zur Vor-Sortierung von Restmüll eingeführt werden sollen. Für die Umsetzung haben die Mitgliedstaaten nach Inkrafttreten der Änderungen an der Richtlinie 20 Monate Zeit.
CO2-Grenzausgleich – Klimadumping stoppen, Papierkram reduzieren
Änderung einer Verordnung; Debatte am Dienstag, 9.9.2025, ab 13.30 Uhr; Abstimmung am Mittwoch, 10.9.2025, 12.30 Uhr.
Der CO2-Grenzausgleich der EU, auch Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM),berücksichtigt den CO2-Ausstoß von importierten Waren in die EU. Auf Einfuhren, die in Ländern ohne CO2-Preis produziert wurden, muss eine Abgabe entrichtet werden. Die Maßnahme soll gleiche Wettbewerbsbedingungen mit EU-Produzenten schaffen, die am Emissionshandel ETS teilnehmen.
Mit kurzfristigen Änderungen am CO2-Grenzausgleich soll nun der Verwaltungsaufwand insbesondere für Firmen reduziert werden, die nur vergleichsweise geringe Mengen der bisher abgedeckten Produktgruppen importieren, zum Beispiel Eisen, Stahl und einfache Stahlprodukte, Aluminium, Zement oder Dünger.
Mit den Änderungen wären in Zukunft nur noch jene Importeure betroffen, deren jährliche Einfuhren bei der Produktion im Ausland einen CO2-Fußabdruck von mindestens 100 Tonnen CO2- Äquivalent haben. Damit sind künftig 90 Prozent der bisher betroffenen Importeure aus dem Anwendungsbereich ausgenommen, es sind jedoch weiterhin über 95 Prozent der avisierten Emissionen abgedeckt. Die EU-Kommission hatte für diesen Vorschlag ein Eilverfahren erbeten, damit die Änderungen noch vor dem finalen Scharfschalten des CBAM in 2026 umgesetzt werden können. Die pro-europäischen Parteien haben in einem konstruktiven Verfahren noch weitere Klarstellungen, etwa zur Einstufung von Offshore-Windstrom, hinzufügen können. Auch mit dem Rat konnte auf dieser Grundlage zügig eine gute Einigung erreicht werden, die nun zur Abstimmung steht.
Öffentliche Aufträge – fairere Kriterien bei Ausschreibungen
Initiativbericht; Plenardebatte am Montag, 8.9.2025, ab 17 Uhr; Abstimmung am Dienstag, 9.9.2025, 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr.
Aufträge durch die öffentliche Hand bilden rund 15 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts. Damit ist die öffentliche Auftragsvergabe ein zentraler Hebel für wirtschaftliche Entwicklung – von Bau über Verkehr bis hin zu Gesundheit und Energie. Doch bisher sehen sich diejenigen Kommunen, die soziale und ökologische Kriterien in Ausschreibungen berücksichtigen wollen, rechtlichen Unsicherheiten ausgesetzt. Ihnen wollen wir helfen.
Die Europa-SPD setzt sich dafür ein, dass öffentliche Mittel gezielt für fairen Wettbewerb, gute Arbeitsbedingungen und Klimaschutz eingesetzt werden. Im nun vorliegenden Initiativbericht haben sich Konservative, Liberale und Rechtspopulisten gegen verbindliche soziale Standards gestellt. Die Sozialdemokrat:innen fordern indessen Verbesserungen über Änderungsanträge im Plenum:
– Soziale Kriterien: Über einen Bonusmechanismus sollen Bieter, die Tarifverträge einhalten und gute Arbeitsbedingungen bieten, bei der Auftragsvergabe besser gestellt werden.
– Ökologische Kriterien: Auch Nachhaltigkeitsaspekte sollen stärker als bisher in die Bewertung einfließen.
Damit will die Europa-SPD erreichen, dass öffentliche Gelder nicht Lohndumping oder Umweltzerstörung fördern, sondern in faire und nachhaltige Lösungen fließen. Zugleich müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen für Kommunen klar und praxistauglich sein. Der offizielle Kommissionsvorschlag zur Revision des Vergaberechts wird für Mitte 2026 erwartet.