Viele von euch schreiben, sie seien enttäuscht und wütend nach der gestrigen Einigung „der EU“ zur Asyl- und Migrationspolitik. Ich teile viele eurer Kritikpunkte, aber möchte ein paar Punkte klarstellen.
Es stimmt nicht, dass „die EU“ sich auf eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik geeinigt hat. Gestern Abend haben die Innenminister*innen der EU-Staaten im Rat getagt und sich auf eine gemeinsame Verhandlungsposition zum Asyl- und Migrationsmanagement und Asylverfahren verständigt.
Das Europaparlament hat seit April seine Verhandlungsposition. Auch wenn wir hier als S&D nicht alle unsere Punkte durchsetzen konnten, weicht unsere Parlamentsposition erheblich von der Position des Rates ab. Jetzt starten die Verhandlungen zwischen dem Rat und dem Parlament unter Vermittlung der EU-Kommission auf Augenhöhe.
Der Rat kann nicht im Alleingang EU-Gesetze beschließen. Deshalb ist mit der gestrigen Einigung noch lange nicht das letzte Wort gesprochen! Das Asyl- und Migrationspaket soll bis April 2024 auf den Weg gebracht werden. Den Verhandler*innen stehen jetzt intensive Wochen bevor.
Meine sozialdemokratische S&D-Fraktion lehnt die Verpflichtung zu Schnellverfahren an den Außengrenzen ab. Es bleibt unsere Grundüberzeugung, dass das Recht auf Asyl ein unveräußerliches Grundrecht ist, das derzeit in zu vielen EU-Ländern mit Füßen getreten wird. Gerade Familien mit Kindern und unbegleitete Minderjährige müssen besonders geschützt werden. Ebenso muss eine europäische Lösung auch eine effektive Seenotrettung vorsehen.
Der Solidaritätsmechanismus ist für uns ein Kernelement einer europäischen Asylpolitik. Es kann nicht sein, dass sich ein Großteil der EU-Staaten aus ihrer Verantwortung freikaufen können. Viele Mitgliedsstaaten haben bisher ihre Solidarität verweigert und eine gerechte Aufteilung der Verantwortung für Geflüchtete verhindert. Damit sich das ändert, brauchen wir diese Verhandlungen. Öffentlicher Druck ist notwendig, um hier zu den bestmöglichen Ergebnissen zu kommen.
Für mich ist klar: Wir als S&D-Fraktion werden uns weiterhin für eine humane und solidarische Asyl- und Migrationspolitik in der EU einsetzen – bis wir dort sind, liegt noch ein weiter Weg vor uns.