Neue Plenarwoche in Straßburg

31.03.2025 | Plenum

Diese Woche steht wieder die Plenarwoche in Straßburg an. Unter anderem mit diesen Schwerpunkten:

Verteidigung stärken – aber nicht auf Kosten sozialer Sicherheit

Jahresberichte zur EU-Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik; Debatte am Dienstag, 1.4.2025, ab 13 Uhr; Abstimmung am Mittwoch, 2.4.2025, 12 Uhr bis 13 Uhr.

Die Europäische Union steht vor einer historischen Bewährungsprobe: Noch nie war ein geeintes und entschlossenes Auftreten auf der Weltbühne so entscheidend wie heute. Nach dem Rückzug der USA aus der westlichen Gemeinschaft, den Trump eingeleitet hat, muss Europa eine doppelte Zeitenwende vollziehen – eine geopolitische Neuausrichtung, die mit wachsenden globalen Herausforderungen einhergeht.

Das vergangene Jahr hat die Dringlichkeit dieser Aufgabe drastisch verdeutlicht. Das Europäische Parlament nimmt in seinen aktuellen Berichten zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu den globalen Entwicklungen des vergangenen Jahres umfassend Stellung und richtet Empfehlungen an EU-Kommission und -Mitgliedstaaten.

Europa braucht jetzt klare und entschlossene Initiativen zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft. Die geopolitischen Entwicklungen erfordern eine grundlegende Neubewertung der politischen Prioritäten, um die physische, wirtschaftliche und soziale Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Doch die Investitionen hierfür dürfen aus sozialdemokratischer Sicht nicht auf Kosten sozialer Sicherheit gehen und müssen gerecht verteilt werden. Die EU muss ihre Verteidigungsfähigkeit stärken und gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt sichern. Denn nur eine Gesellschaft, die intern gefestigt ist und über starken Zusammenhalt verfügt, kann sich wirksam gegen externe Bedrohungen behaupten.

Änderungen am Gesetz sind notwendig – Kurs zum Verbrenner-Aus bleibt klar

Kommissionsankündigung voraussichtlich am Dienstag, 1.4.2025, 12 Uhr.

Die EU-Kommission will nächste Woche eine begrenzte Änderung der Flottengrenzwerte für in Europa neu zugelassene Autos ab dem Jahr 2025 vorschlagen. Der Umweltausschuss erwartet die Vorlage, die voraussichtlich in einem beschleunigten Verfahren zur Abstimmung im Plenum gebracht werden wird. Unter der bisherigen Regelung wären in 2025 mit großer Wahrscheinlichkeit substantielle Strafzahlungen für europäische Hersteller fällig geworden, da der Absatz von Elektro- und Hybridautos hinter den Zielen zurückbleibt. Mit der Änderung hätten Autobauer nun bis 2027 Zeit, das Überschreiten der Grenzwerte auszugleichen, in dem sie in den Jahren 2026 und 2027 mehr saubere Autos auf den Markt bringen, als es der Grenzwert vorgibt.

Die Änderung wäre aus sozialdemokratischer Sicht ein notwendiger Schritt, um die europäische Automobilbranche in einer akuten Krisensituation zu unterstützen. Es wäre nicht im Interesse der Beschäftigten gewesen, wenn man Konzerne in der aktuellen Lage entweder zu hohen Strafzahlungen oder zu Zahlungen an außereuropäische Mitbewerber verpflichtet hätte. Gleichzeitig wird durch den sogenannten Banking-and-Borrowing Ansatz, also durch den Ausgleich durch Übererfüllung der Grenzwert-Ziele ab 2026, der gewünschte Effekt des Klimaschutzes langfristig nicht gefährdet. Das Verbrenner-Aus muss als Ziel der EU, und als Kernbestandteil des Green Deal, bestehen bleiben.

Ja zu effektivem Bürokratieabbau, Nein zu sinnloser Deregulierung

Abstimmung über Eilverfahren zu einem Teil des Omnibus-Pakets am Dienstag, 1.4.2025, 12 Uhr.

Mit einer groß angelegten Vereinfachungsinitiative plant die EU-Kommission, die Bürokratielast für Unternehmen abzubauen. Die Behörde will mehrere Gesetze aus dem Klimapaket der EU, das erst in der letzten Legislatur auf den Weg gebracht wurde, neu überprüfen und vereinfachen. Einige der Initiativen sind noch nicht einmal umgesetzt; eine Evaluation fehlt.

Den Abbau unnötiger Bürokratie begrüßen Sozialdemokrat:innen grundsätzlich. Leider scheint die EU-Kommission jedoch bei dem Versuch der Vereinfachung von Berichtspflichten das Maß der Dinge zu verlieren. Es besteht das ernsthafte Risiko, dass die Kommission das noch in den Kinderschuhen steckende EU-Lieferkettengesetz zum zahnlosen Papiertiger macht. Nach dem Lieferkettengesetz sind Unternehmen verpflichtet, Klimapläne für ihren Übergang in die Klimaneutralität umzusetzen. Die Pflicht zur Umsetzung soll nun wegfallen. Ein derartiges Greenwashing führt zu unnötiger Bürokratie, die die EU-Kommission eigentlich abschaffen wollte. Denn Klimapläne ohne Umsetzungspflicht braucht niemand.

In einem Eilverfahren will die konservative Fraktion nun bereits eine erste Verschiebungdurchs Parlament bringen. Dieses Verfahren erlaubt die Umgehung der Konsultation des Fach-Ausschusses – nach der Abstimmung über das Verfahren selbst obliegt es der Präsidentin Roberta Metsola, die Abstimmungen über den Vorschlag anzusetzen sowie Fristen für Änderungsanträge vorzugeben. Sollte das Eilverfahren angenommen werden, würde im Folgenden zunächst über den ersten Teil des Omnibus-I entschieden werden, also über den Vorschlag der Verschiebung des Lieferkettengesetzes sowie die Anwendung von Berichtspflichten. Weitere inhaltliche Änderungen am Gesetz könnten folgen.

Europas Industrie an die Spitze führen und dekarbonisieren

Resolution; Hauptdebatte des Aprils-Plenums am Mittwoch, 2.4.2025, 9 Uhr bis 11.50 Uhr, zum Stahl- und Metall-Aktionsplan sowie zu Energieintensiven Industrien; Abstimmung am Donnerstag, 3.4.2025, 12 Uhr bis 14 Uhr.

Das EU-Parlament wird in seiner Positionierung zu energieintensiven Industrien voraussichtlich Maßnahmen fordern, um Europas Industrien an die Weltspitze zu führen und fit für die Zukunft zu machen. Die Herausforderungen: ein zu hoher Energiepreis, der nicht nur eine Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ist, ein unfairer Wettbewerb aus Drittländern sowie die Notwendigkeit, die Dekarbonisierung der Industrie voranzutreiben. Deshalb müssen die Energiekosten für energieintensive Industrien gesenkt und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert werden. Zudem müssen die EU-Staaten auf saubere Energie-Technologien wie Wasserstoff und Elektrifizierung setzen. Der Gesetzgeber muss die Genehmigungsverfahren für saubere Energieprojekte und die Netzanbindungen beschleunigen. Die EU-Staaten müssen den Zugang zu kritischen Rohstoffen sichern und die Kreislaufwirtschaft fördern, die ETS-Einnahmen effektiv nutzen und Verfahren entbürokratisieren.

Sozialdemokrat:innen haben sich besonders dafür eingesetzt, den Übergang zur Klimaneutralität sozial gerecht zu begleiten, gute Arbeit zu fördern und betroffene Regionen und Arbeitnehmer:innen gezielt zu unterstützen.

Demokratie verteidigen – Angriff auf Grundrechte und LGBTIQ+ in Ungarn

Plenardebatte am Mittwoch, 2.4.2025, ab 13 Uhr

In Ungarn hat die regierende Fidesz-Partei unter Viktor Orbán ein neues Gesetz verabschiedet, mit dem Pride-Veranstaltungen verboten und Teilnehmer:innen per Gesichtserkennungssoftware ausfindig gemacht und mit Geldstrafen und sogar Haft verfolgt werden sollen. Das stellt einen beispiellosen Angriff auf die LGBTIQ+-Community und eine schwere Verletzung grundlegender Menschenrechte dar. Das Gesetz wurde, auch mit Unterstützung der rechten Oppositionsparteien im Eilverfahren verabschiedet und soll durch eine weitere Verfassungsänderung ergänzt werden. Die demokratische Opposition aus linken, liberalen und grünen Abgeordneten stimmte dagegen. Die Konservativen enthielten sich feige. Die Sozialdemokrat:innen betonen, dass Ungarns EU-Mitgliedschaft infrage gestellt werden muss, wenn die Regierung Orbán weiterhin Grundrechte und Freiheiten im einem EU-Staat untergräbt und damit ihren Verpflichten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und den EU-Verträgen mit Füßen tritt.

Kohäsionspolitik – ein starkes Europa braucht starke Regionen

Plenardebatte mit der EU-Kommission am Dienstag, 1.4.2025, ab 13 Uhr

Kohäsionspolitik ist eine zentrale Säule der europäischen Investitionspolitik, die langfristig die Entwicklung der Regionen unterstützt und Transformationsprozesse absichert. Als solche ist die Kohäsionspolitik Voraussetzung für Zusammenhalt, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit in Europa. In der Halbzeitbewertung evaluieren Mitgliedsstaaten und EU-Kommission die Funktionalität und Performanz der derzeitigen Förderprogramme im mehrjährigen Finanzrahmen von 2021 bis 2027. Aktuell lastet besonderer Druck auf dem EU-Haushalt, etwa aufgrund der veränderten geopolitischen Lage oder Rückzahlungs-Verpflichtungen aus den Corona-Aufbaufonds. Doch ein resilientes, wettbewerbsfähiges Europa braucht resiliente und wettbewerbsfähige Regionen. Die Kohäsionspolitik darf deshalb nicht zerrieben, sondern muss im Gegenteil gestärkt werden. Die Debatte zur Kohäsionspolitik im Plenum in dieser Woche wird Konfliktlinien offenlegen und im Vorfeld des Kommissionsvorschlags zum mehrjährigen EU-Finanzrahmen ab 2028 Hinweise darauf geben, wohin sich Kommission und Parlament bewegen.

EU-Haushalt 2026 – sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt stärken

Leitlinien für den Haushaltsplan 2026, Plenardebatte am Montag, 31.3.2025, 17 Uhr bis 18 Uhr; Abstimmung am Mittwoch, 2.4.2025, 12 Uhr bis 13 Uhr.

In der kommenden April-Plenarwoche stimmt das Europäische Parlament über seine Schwerpunkte und Erwartungen für den EU-Haushalt 2026 ab. Im Mittelpunkt steht, die Investitionen in Forschung und Innovation zu erhöhen (Horizon Europe), die digitale und grüne Transformation – etwa durch den Ausbau digitaler Infrastrukturen und erneuerbarer Energien – sowie die europäischen Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten zu stärken. Das Parlament fordert zudem eine ausreichende Finanzierung der EU-Agrarpolitik, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten, sowie zusätzliche Mittel für Gesundheitsprogramme (EU4Health), Bildung (Erasmus+) und den Kampf gegen Desinformation. Weitere Prioritäten sind die uneingeschränkte Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit bei der Vergabe von EU-Mitteln, die verstärkte Unterstützung der Ukraine sowie die Förderung des sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts in den Mitgliedstaaten. Aus sozialdemokratischer Sicht ist der zur Abstimmung stehende Text eine sinnvolle Positionierung des Parlaments. Es besteht allerdings die Gefahr, dass dieser Kompromiss über inakzeptable Änderungsanträge von rechter Seite noch verändert wird. Nimmt das Europäische Parlament die Position an, wird anschließend auf dieser Grundlage mit dem Rat über den EU-Haushalt verhandelt.

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