Diese Woche kommen die Abgeordneten wieder zur Plenarsitzung in Straßburg zusammen. Das sind die Themen der Woche:
EU-Luftraum vor Verletzungen durch Russland schützen
Resolution und Hauptdebatte mit Rat und Kommission am Mittwoch, 8.10.2025, 9 bis 11.50 Uhr; Abstimmung am Donnerstag, 9.10.2025, 12 Uhr bis 14 Uhr.
In den vergangenen Wochen gab es mehrfach Luftraumverletzungen an der EU-Ostgrenze: Im September drangen dutzende russische Drohnen in den polnischen und rumänischen Luftraum ein, kurz darauf wurden auch über Dänemark nicht identifizierte Drohnen gesichtet. Estland und andere baltische Staaten meldeten zudem wiederholte Vorfälle mit russischen Militärflugzeugen ohne Transponder. Diese Zwischenfälle verdeutlichen die wachsende Bedrohung durch hybride Angriffe, aber russische Luftraumverletzungen sind leider nichts Neues. Seit Jahren registrieren die Mitgliedstaaten regelmäßig russische Provokationen insbesondere in der Ost- und Nordsee.
Aus Sicht der Europa-SPD testet Putin so Zusammenhalt, Entschlossenheit und Verteidigungsfähigkeit der EU. Der russische Machthaber will die Europäer:innen einschüchtern und spalten. Dagegen ist wichtig, kühlen Kopf zu bewahren, geschlossen und besonnen zu reagieren sowie Putin klare Grenzen aufzuzeigen. Europa will keine Eskalation, ist aber im Zweifel bereit, sich zu verteidigen. EU und NATO müssen im Ostseeraum jetzt mit erhöhtem Tempo an einem Drohnenabwehrschirm arbeitet und durch härtere Sanktionen gegen Moskau Stärke zeigen. Nur wenn Putin versteht, dass er mit Einschüchterungstaktiken wie diesen nicht weiterkommt, können die Partner ihn zu echten Verhandlungen bringen und verhindern, dass Russland die Eskalationsspirale weiterdreht.
Europäische Betriebsräte – Demokratie am Arbeitsplatz von Rechts bedroht
Änderung der Richtlinie; Debatte mit Rat und Kommission am Mittwoch, 8.10.2025, voraussichtlich gegen 15 Uhr; Abstimmung am Donnerstag, 9.10.2025, 12 Uhr bis 14 Uhr.
Die Einigung zur Reform der Europäischen Betriebsräte ist ein Meilenstein für die Demokratie am Arbeitsplatz. Millionen Beschäftigte in multinationalen Unternehmen erhalten damit endlich wirksamere Mitspracherechte – ein zentraler Erfolg sozialdemokratischer Politik. Europäische Betriebsräte sind die einzige Institution, in der Arbeitnehmer:innen auf europäischer Ebene systematisch über grenzüberschreitende Entscheidungen informiert und angehört werden. Zu oft haben Unternehmen die Regeln umgangen, Informationen blockiert oder Mitsprache verhindert. Damit ist jetzt Schluss. Die Reform bringt konkrete Fortschritte:
- Durchsetzung: Sanktionen müssen künftig wirksam, abschreckend und verhältnismäßig sein.
- Rechtsschutz: Beschäftigtenvertretungen erhalten in allen Mitgliedstaaten klaren Zugang zur Justiz. Die Kosten tragen die Unternehmen.
- Gewerkschaften: Ihre Rolle in Verhandlungen und Gremien wird gestärkt.
- Standards: Schlupflöcher wie „freiwillige“ Altvereinbarungen entfallen.
- Gleichstellung: Erstmals verbindliche Ziele für die Geschlechterparität in Europäischen Betriebsräten.
- Transparenz: Unternehmen dürfen Informationen nicht länger pauschal geheim halten.
Starke Arbeitnehmer:innenrechte sind essenziell für eine krisenfeste und wettbewerbsfähige europäische Wirtschaft. Nach jahrelangen Verhandlungen und einer Einigung zwischen Kommission, Rat und Parlament, stimmt das Europäische Parlament diese Woche über das Ergebnis der Verhandlungen ab. Die Mitgliedstaaten müssen die Bestimmungen der Richtlinie innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Inkrafttreten in nationales Recht umsetzen und spätestens nach drei Jahren anwenden.
Misstrauensanträge gegen Von der Leyen – Stabilität sichern, Populismus entlarven
Debatte am Montag, 6.10.2025 ab 17 Uhr; Abstimmungen am Donnerstag, 9.10.2025, von 12 Uhr bis 14 Uhr.
Das Europäische Parlament stimmt im Oktober erneut über Misstrauensanträge gegen die Kommission von Ursula von der Leyen ab: Sowohl aus dem linken als auch aus dem rechten Lager liegen Anträge vor – aus sozialdemokratischer Sicht politische Manöver, die die Institution unter Druck setzen sollen. Bereits im Juli hatte die Kommission ein Misstrauensvotum klar überstanden (175 Ja, 360 Nein, 18 Enthaltungen).
Für die SPD-Europaabgeordneten ist klar: Das Misstrauensvotum ist das schärfste Schwert des Parlaments. Wer es alle paar Monate zieht, macht es wirkungslos. Ein inflationärer Gebrauch des Misstrauensvotums, der das Kontrollinstrument abnutzt, wird von den SPD-Europaabgeordneten nicht unterstützt. In dieser angespannten Zeit braucht Europa keine institutionelle Krise, sondern Ergebnisse. Ursula von der Leyen hat in ihrer Rede im September rhetorisch deutlich gemacht, dass sie den Ernst der Lage verstanden hat – jetzt muss sie auch liefern. Daran wird die Europa-SPD die Kommissionspräsidentin messen. Die Europa-SPD steht für wirksame Kontrolle, transparente Entscheidungsprozesse und eine handlungsfähige EU-Kommission, die Mehrheiten in der demokratischen Mitte sucht. Wer die Kommission stürzt, ohne eine Alternative vorzulegen, riskiert Stillstand bei Arbeitsplätzen, Klimaschutz und Sicherheit. Deshalb setzt die Europa-SPD auf Aufklärung, Konsequenzen, wo nötig, und auf Stabilität, wo Europa liefern muss.
Immunität von Abgeordneten – Ungarns Opposition gegen Orbáns Attacken schützen
Abstimmung am Dienstag, 7.10.2025, von 12 Uhr bis 13 Uhr.
Die ungarische Justiz will die Immunität der drei Europaabgeordneten Péter Magyar (EVP) und Klára Dobrev (S&D) aus Ungarn sowie der Italienerin Ilaria Salis (Linke) aufheben lassen. Magyar liegt derzeit in Umfragen vor Viktor Orbán, gegen ihn war in insgesamt drei Fällen eine Aufhebung der Immunität beantragt worden. Dobrev wurde im März 2024 angeklagt, weil sie erklärt hatte, ein lokaler Beamter sei in einen Skandal verwickelt gewesen, der zum Rücktritt der ungarischen Präsidentin Katalin Novák und der Justizministerin Judit Varga, beide Fidesz, führte. Salis wird vorgeworfen, 2023 Teilnehmende des rechtsextremen „Tags der Ehre“ in Budapest angegriffen zu haben – einem Aufmarsch, zu dem Neonazis aus ganz Europa anreisen. Sie saß insgesamt 15 Monate in Untersuchungshaft in Ungarn, wo sie in Ketten vor Gericht geführt wurde und unter menschenunwürdigen Haftbedingungen litt. Nach ihrer Wahl ins Europaparlament kam Salis frei.
Der Rechtsausschuss des Europaparlaments (JURI) hatte im September mit knappen 13 zu 12 Stimmen für die Aufrechterhaltung ihrer Immunität gestimmt. Die Geschäftsordnung sieht vor, dass im Plenum in Straßburg erneut über die Frage entschieden wird. Salis hat angekündigt sich in Italien den Behörden zu stellen, die italienische Justiz müsste dann erneut einen Antrag auf Aufhebung der Immunität stellen. Die Europa-SPD vertraut in Orbáns Ungarn nicht mehr auf rechtsstaatliche Verfahren. Die Sozialdemokrat:innen stufen die Anträge als politisches Instrument ein, um die Opposition mundtot zu machen, sie unter Druck zu setzen und Orbáns Autokratie zu stärken.
Insgesamt wird es im Oktober-I-Plenum um sieben Anträge auf Aufhebung der Immunität gehen.
Kampf für faire Landwirtschaft statt Kulturkampf um Veggie-Burger
Änderung einer Verordnung; Debatte am Dienstag, 7.10.2025, ab 13 Uhr; Abstimmung am Mittwoch, 8.10.2025, 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr.
Die EU-Kommission will den Einfluss der Landwirte in der Lebensmittelkette stärken. Dazu legte die Behörde im Dezember Vorschläge zur Reform der Verordnung über die EU-Marktorganisation für Agrarerzeugnisse vor. Ziel: mehr Fairness und bessere Einkommen für die Landwirtschaft. Geplant sind verbindliche schriftliche Verträge, Schutzklauseln bei langfristigen Vereinbarungen sowie mehr Unterstützung für Erzeugerorganisationen. Auch junge Bäuerinnen und Bauern sollen mit zusätzlichen Anreizen gewonnen werden. Zudem will Brüssel Begriffe wie „fair“, „gerecht“ oder „kurze Lieferketten“ rechtlich klarer fassen, um Missbrauch in der Vermarktung zu verhindern.
Streit verursachen die Christdemokrat:innen jedoch besonders mit einem Punkt: Die EVP-Berichterstatterin will Bezeichnungen wie „Burger“, „Schnitzel“ oder „Wurst“ für vegetarische Produkte verbieten – ein überflüssiges Symbolthema. Statt über Begriffe wie ‚Veggie-Burger‘ oder ‚Kohlrabi-Schnitzel‘ zu streiten, sollte sich die EU aus Sicht der Europa-SPD um die tatsächlichen Probleme der Landwirtschaft kümmern: faire Preise, Planungssicherheit, Unterstützung für regionale Betriebe und Klima- sowie Umweltschutz.
Stimmt eine Mehrheit des Plenums am Dienstag in Straßburg für die Änderungen, können die Trilog-Verhandlungen mit dem Rat beginnen.
Agrar-Omnibus – inakzeptable Deregulierung auf Kosten des Klimas
Änderung von Verordnungen; Debatte am Dienstag, 7.10.2025, ab 13 Uhr; Abstimmung am Mittwoch, 8.10.2025, 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr.
Der Agrar-Omnibus sollte ursprünglich Bürokratie abbauen und die laufende EU-Agrarpolitik vereinfachen. Der Agrarausschuss des EU-Parlaments hatte im September seine Position dazu abgestimmt. Statt praktikabler Anpassungen schlägt die Mehrheit im Ausschuss nun jedoch eine Absenkung von Umweltstandards vor, die aus Sicht der Europa-SPD inakzeptabel ist. Über die Position des Parlaments wird in der ersten Straßburg-Sitzung im Oktober abgestimmt. Die sogenannten Omnibus-Pakete der EU-Kommission enthalten Querschnittsvorschläge zu mehreren Rechtsgebieten; Omnibus: lateinisch omnibus ‚für alle‘ bzw. ‚allen‘.
Kernpunkte der Ausschuss-Entscheidung: Bisher verpflichtende europäische Umweltauflagen werden entweder gestrichen oder künftig so ausgestaltet, dass sie mit EU-Geldern bezahlt werden können. Aus sozialdemokratischer Sicht eine gefährliche Spirale nach unten, die ohne frische Gelder das Ambitionsniveau der EU-Agrarpolitik in Sachen Umwelt- und Klimaschutz deutlich verringern wird. Außerdem sollen selbst Betriebe, die nicht vollständig nach Bio-Standards zertifiziert sind, automatisch als umweltgerecht gelten und Förderungen erhalten. Damit wird der Grundsatz „öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen“ faktisch aufgeweicht.
Bei Krisenzahlungen für Landwirtinnen und Landwirte nach Naturkatastrophen will der Ausschuss die Mittel nicht aus den Direktzahlungen, sondern aus dem Topf der ländlichen Entwicklung nehmen – was dringend benötigte Gelder für Zukunftsinvestitionen, Umweltmaßnahmen oder den ländlichen Raum kürzen würde. Kritisch sieht die Europa-SPD auch einen Änderungsantrag der EVP, der Direktzahlungen in den Mitgliedstaaten künftig von Steuern und Abgaben befreien soll. Spitzenverdiener:innen in der Landwirtschaft könnten dadurch zukünftig unversteuert EU-Gelder abgreifen. Positiv zu sehen ist, dass Kleinbauern und -bäuerinnen künftig bis zu 5.000 Euro Unterstützung jährlich statt der bislang vorgeschlagenen 2.500 Euro erhalten.
Die SPD-Europaabgeordneten setzen sich dafür ein, die EU-Agrarpolitik weiter zu vereinfachen – aber nicht auf Kosten von Klima, Natur und Glaubwürdigkeit. Statt Standards auszuhöhlen, braucht es gezielte Förderung und Unterstützung für bäuerliche Betriebe, die tatsächlich nachhaltige Leistungen erbringen. Der Agrar-Omnibus darf nicht zum Einfallstor für Greenwashing werden.
Nachfrage nach E-Autos stärken, Arbeitsplätze sichern
Debatte am Mittwoch, 8.10.2025, ca. 13.30 Uhr
Die Europaabgeordneten debattieren in Straßburg auf Antrag der nationalkonservativen EKR-Fraktion über die Zukunft der europäischen Automobilindustrie. Im Mittelpunkt stehen die CO2-Flottengrenzwerte, deren Revision die EU-Kommission bis Ende des Jahres angekündigt hat. Zudem kommen Vertreter:innen von Bund, Ländern und Industrie am 9. Oktober im Kanzleramt zum deutschen Autogipfel zusammen.
Der Absatz von E-Autos hatte zuletzt wieder angezogen und auch in den erschwinglicheren Massensegmenten sind die europäischen Autobauer zunehmend mit eigenen Modellen vertreten. Dennoch sind auf Grund einer insgesamt immer noch zu schwachen Nachfrage viele Jobs, insbesondere bei den Zulieferern, gefährdet. Es muss also darum gehen, kurzfristig die Nachfrage nach E-Autos weiter zu stärken, die Ladeinfrastruktur auszubauen und zu vereinfachen, Arbeitsplätze zu sichern und die europäischen Hersteller in der Transformation zu unterstützen.
Gemeinsames Bekenntnis zu Grundsätzen der Gleichstellung
Mündliche Frage und Resolution; Abstimmung am Donnerstag, 9.10.2025, 12 Uhr.
Ihren Fahrplan für Frauenrechte hatte die EU-Kommission im März 2025 vorgestellt. Im Anhang skizzierte die Behörde eine Grundsatzerklärung für eine geschlechtergerechte Gesellschaft, die zentrale Prinzipien und Werte für Gleichstellung und Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern definiert. Ziel war es, diese Grundsätze durch das Europäische Parlament zu bestätigen und zu unterstützen, durch den Rat der Europäischen Union, die Sozialpartner:innen, Akteure der Zivilgesellschaft und weitere relevante Organisationen.
Mit der nun verabschiedeten Resolution erteilt das Europäische Parlament diese Bestätigung. Die Bürgerkammer bekräftigt seine Unterstützung für die Prinzipien der Geschlechtergleichstellung. Gleichzeitig macht das Parlament jedoch deutlich, dass diese Grundsätze nicht nur symbolisch bleiben dürfen, sondern von konkreten Maßnahmen durch die versprochene EU-Gleichstellungsstrategie konkretisiert werden müssen, um Gleichstellung und Demokratie auch in Zeiten eines zunehmenden Rechtsrucks und wachsendem Druck auf Frauenrechte zu sichern und weiter voranzutreiben.
Anreize für emissionsfreie Schwerlastfahrzeuge verlängern
Änderung einer Richtlinie; Abstimmung am Dienstag, 7.10.2025, 12 Uhr bis 13 Uhr.
Der Schwerlastverkehr stellt nur 2,4 Prozent der Fahrzeugflotte in der EU, verursacht aber 27,5 Prozent der CO₂-Emissionen im Straßenverkehr und damit EU-weit 6,9 Prozent aller Emissionen insgesamt.
Hier liegt ein großer Hebel zur CO2-Einsparung. Damit mehr emissionsfreie Lkw auf die Straße kommen, braucht es Anreize. Den entscheidenden Schub können reduzierte oder erlassene Gebühren zur Straßenbenutzung geben. Nach aktueller Rechtslage dürfen Mitgliedstaaten solche Befreiungen nur bis Ende 2025 gewähren. Das ist zu kurz, um Nachfrage und Investitionen wirklich auszulösen. Deshalb soll die Frist bis Juni 2031 verlängert werden. Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unterstützen die Maßnahme, um die Klimaziele des Europäischen Green Deals abzusichern und Planungssicherheit zu schaffen. Eine breite Mehrheit im Parlament ist möglich, da auch Grüne, Liberale und EVP zustimmen. Der Rat hat bereits sein Einverständnis erklärt. Stimmt eine Mehrheit im Plenum zu, können die Änderungen am 20. Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten.